Blog | Sanfter Einstieg mit großer Wirkung

02.06.2017
Workshop des Projekts "Zukunft mit Wiedereinstieg". Frauen in einem Kursraum

Von der eigenen Erfolgsgeschichte berichten, das und noch viel mehr gehört zu den ersten zwei Wochen des Projekts "Zukunft mit Wiedereinstieg"

Mehr als tausend Wiedereinsteigerinnen werden im neu adaptierten Projekt "Zukunft mit Wiedereinstieg" für den Arbeitsmarkt fit gemacht. Wir waren bei einem Workshop dabei.

"Ich habe gar keine Erfolgsgeschichte", sagt die junge Frau mit mildem Lächeln. "Doch die hast du", ruft eine andere Frau vom Tisch gegenüber. "Bitte du hast die Ausbildung zur Werkslehrerin in Ägypten gemacht, bitte darauf kannst du doch stolz sein!" Die junge Frau strahlt.

Von der eigenen Erfolgsgeschichte berichten, das und noch viel mehr gehört zu den ersten zwei Wochen des Projekts "Zukunft mit Wiedereinstieg", das ABZ*AUSTRIA seit Ende April 2017 in Wien anbietet. Am Standort Wien Nord wird in den Räumlichkeiten des BFI Wien gemeinsam mit Coaches von ABZ*AUSTRIA und Trainerinnen des BFI dieses besondere Projekt umgesetzt, das Frauen nach der Karenz befähigen soll, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Die Ausgangsbedingungen für die Frauen sind nicht einfach: Drei Viertel haben Migrationshintergrund, rund die Hälfte maximal Pflichtschulabschluss, 40 Prozent sind Alleinerzieherinnen, erzählt ABZ*AUSTRIA-Projektleiterin Susanna Csenkey. Seit 2014 betreut sie das Projekt, im neuen Durchgang ist einiges anders: Die Frauen haben von Montag bis Freitag je dreistündige Workshops, die sie vormittags oder nachmittags besuchen wollen, statt früher sechs Stunden in drei Tagen. "Damit sind die Teilnehmerinnen flexibler, was gerade bei der Kinderbetreuung wichtig ist", so Csenkey. In ihrer selbstgebauten Datenbank "Gabi" werden alle Vorerfahrungen, Jobsuchkriterien und Coachingergebnisse der Teilnehmerinnen erfasst, alle Projektmitarbeiterinnen haben Einblick in für sie relevante Daten. "Wir sind damit viel effizienter", sagt Csenkey stolz.

Sanfter Einstieg

Die ersten beiden Wochen des Projekts sind zum sanften Einstieg gedacht. Hier geht es um Informationen zum Arbeitsmarkt, um Erhebung des Status Quo der Frauen, um Infos zu Unterstützung und Weiterbildung, um ihre Kompetenzen und Stärken, um Selbstbestimmung und Rollenbilder. Im jetzigen Workshop "Frauen und Arbeit" leitet Trainerin Maria Resch die Frauen zum Reflektieren an: über ihre Rolle in der Familie und in der Gesellschaft, über unbezahlte Arbeit, über Chancen am Arbeitsmarkt für Frauen und Männer. Resch ruft die Teilnehmerinnen auf, Fragen mit Ja/Nein zu beantworten und sich entsprechend im "Ja"- oder "Nein-"Teil des Raums zu positionieren. "Machst du mehr als 80 Prozent der unbezahlten Arbeit zuhause?" Alle stehen auf dem "Ja-Feld". "Hast du einen handwerklichen Beruf?" Alle stehen auf "Nein". Dabei sind unter den neun Teilnehmerinnen sehr unterschiedliche Lebensläufe: eine italienische Tänzerin, eine Pädagogin aus Rumänien, eine Sozialarbeiterin mit Uni-Abschluss, eine ehemalige Mitarbeiterin einer Justizanstalt. Auch Alleinerzieherinnen sind unter ihnen. Alle von ihnen müssen nach der Babykarenz beruflich wieder von vorne starten - etwa, weil ihre Firma keinen familiengerechten Teilzeitjob bietet oder weil in Österreich ihre Ausbildung nicht anerkannt ist.

Die Frauen wirken durchwegs motiviert. Sie reflektieren unter Maria Reschs Anleitung, ob es ihnen leicht fällt, Hilfe anzunehmen. Eine junge Frau sagt, sie macht alles selbst, "auch Möbel reparieren, das lerne ich über Youtube." Dann beschreiben sie, was ihnen zum Thema "Gender" einfällt: Die ehemalige Justizanstalts-Mitarbeiterin klebt ein Post-it mit dem Wort "Leisten" auf das Flipchart. "Frauen müssen oft mehr leisten als Männer", erklärt sie. "Sie müssen hübsch, sexy, klug sein, eine gute Mutter und Tochter, in der Arbeit 100 Prozent geben." Die anderen nicken. Jede kennt diesen Druck. Für eine andere Frau ist es das Thema "Arbeit": "Es ist wichtig, arbeiten zu gehen und vom Partner finanziell unabhängig zu sein." Später vergleichen sie die Jobchancen eines österreichischen Architekten mit Frau und drei jugendlichen Kindern mit den Jobchancen einer Architektin aus Kairo, mit selbstständig tätigem Mann und zwei Schulkindern. Das Fazit: Beide haben gute Chancen, auch die Frau, weil ihre Ausbildung in Österreich nostrifiziert ist. "Aber sie wird es auf dem Arbeitsmarkt schwerer haben, weil sie eine Teilzeitstelle sucht und Kopftuch trägt", bringt es eine Teilnehmerin auf den Punkt.

Kurs nach Bedarf

Nach den zwei Wochen werden die Frauen sich im Klaren sein, welchen Weg sie weitergehen: Im Modul Empowerment vertiefen sie sich in ihre Stärken und Rechte, im Modul Deutsch verbessern sie ihre Sprachkenntnisse bei Bewerbung, Verkauf und Amtssprache, in der Basisbildung trainieren sie vor allem Mathe-Kenntnisse, im Modul Weiterbildung geht es um Lebenslanges Lernen und Unternehmensgründung, im Modul Arbeitsmarkt um Selbstpräsentation, Assessment Center und Jobsuche. Coaches des ABZ*AUSTRIA ermitteln, welchen Bedarf die Frauen haben. Je nachdem erstreckt sich auch die Kursdauer auf 6, 10 oder 14 Wochen. Die Frauen bekommen Einzelcoachings und bei Bedarf auch Weiterbildung bezahlt.

Bis August 2018 sollen mehr als tausend Frauen fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden. Die Teilnehmerinnen des Workshops wirken zuversichtlich. "Bis morgen", rufen sie Maria Resch am Ende gut gelaunt zu.