Blog | Der technologische Fortschritt ist nicht genug

02.12.2017
Das Foto zeigt links Manuela Vollmann im "Wiedner Salon". Rechts davon, eine blonde Frau, spricht gerade.

Digital Equality müsse ein wesentlicher Bestandteil der Digitalisierung sein. Manuela Vollmann, Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA nannte sieben Tipps, wie dies erreicht werden kann.

Digital Equality: Was ist das und wie können wir Digitalisierung und Gleichstellung auf einen Nenner bringen? ABZ*AUSTRIA Geschäftsführerin Manuela Vollmann gab beim Digitalen Salon Ein- und Ausblicke.

Diesmal hatte der Digitale Salon zum Thema "Digital Equality" geladen. Manuela Vollmann, Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA, hatte die Gelegenheit, im hübschen "Wiedner Salon" der Galerie Jünger zwischen Designermöbeln aus den 1950ern und zeitgenössischer Kunst ihren Vortrag zu halten. Vor 25 Jahren hatte sie mit Kolleginnen ABZ*AUSTRIA als Social Business gegründet, erzählte sie, um Frauen mehr Zugang zu Bildung und bezahlter Arbeit zu ermöglichen. Schon früh organisierte ABZ*AUSTRIA Weiterbildungen für Frauen mit Neuen Technologien, zu den Kooperationspartnern gehörten u.a. Telekommunikationsfirmen. In den vergangenen Jahren sei der Fokus auch auf Männer und ihre Kompetenzen weitab von Geschlechterstereotypen gerückt. Den digitalen Wandel begreift Manuela Vollmann zwar als unvermeidlich, "man darf die Digitalisierung aber nie nur in Hinblick auf neue Geschäfts- und Organisationsmodelle betrachten, sondern der Blick muss stets ganzheitlich sein." Bei ABZ*AUSTRIA sei der ganzheitliche, zusammenhängende Blick auf Digitalisierung und die Gleichstellung in der Wirtschaft, der Bildung und auf dem Arbeitsmarkt wesentlich.

Neben dem gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel, befeuert durch die Digitalisierung, gebe es auch auf individueller Ebene massive Veränderungen: Sabbaticals und Auszeiten für persönliche Weiterbildung und Lebensentwürfe seien ebenso nachgefragt, wie für die Pflege von Angehörigen oder Kindern. Hinzu komme, dass Migrations- und Flüchtlingsbewegungen den Arbeitsmarkt auf eine neue Weise internationalisierten: "Die Frage ist, wie können wir einerseits geringqualifizierte ZuwandererInnen entsprechend qualifizieren und andererseits gut qualifizierte MigrantInnen adäquat in den Arbeitsmarkt integrieren? Hier tun Unternehmen noch zu wenig." Wie der Kompetenzcheck von ABZ*AUSTRIA zeige, seien viele Frauen und auch Männer aus Drittstaaten zwar gut qualifiziert, "sie haben Kompetenzen – doch die sind häufig noch nicht nostrifiert, also in Österreich anerkannt."

Mit der "new world of work" kämen auch neue Fragen der Arbeitszeitflexibilisierung sowie innovative Organisationsformen und Arbeitsstrukturen auf. Klar sei: Mobiles Arbeiten jenseits von fixen Zeiten und Orten nehme zu, "Anwesenheitsfetischismus verhindert die Produktivität", sagte Vollmann. Studien, die aufgrund der Roboterisierung die Abschaffung von Hunderttausenden Jobs prognostizieren, seien laut Manuela Vollmann mit Vorsicht zu genießen: "Es gibt hier divergierende Studienergebnisse. Die Angst vor Arbeitsplatzverlust zu schüren, bringt jedenfalls nichts. Wir müssen die Digitalisierung als Mittel zum Zweck sehen und sie mitgestalten: viele neue Jobs werden entstehen." Sie zitierte hier auch Chris McNab: "Humans are more important than hardware. People – not equipment – make the difference."

Digital Equality müsse ein wesentlicher Bestandteil der Digitalisierung sein. Manuela Vollmann gab dazu sieben Tipps:

1. Seid divers

"Wir brauchen Diversität in Technologie und Entwicklung: Fortschritt kann nicht nur von weißen Männern für weiße Männer gemacht werden." Auch Frauen und Menschen unterschiedlicher Herkunft müssen TeilhaberInnen an und GestalterInnen von Digitalisierung sein dürfen.

2. Bleibt sozial

"Technologische Innovation benötigt auch soziale Innovation: Solange es uns Menschen gibt, gibt es ein analoges Leben. Wir müssen technologische Innovationen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf unser Leben überprüfen: sie dürfen keine Ungleichheiten erzeugen."

3. Habt Vertrauen

Die neue Arbeitswelt funktioniert zeit- und ortsunabhängig, ergebnisorientiert und damit auch auf Basis von Vertrauensarbeitszeit. "Vertrauen in die Menschen und in die Technologien ist wesentlich für ein produktives Miteinander", so Vollmann. ABZ*AUSTRIA bietet übrigens Gleitzeit ohne Kernzeit: Die Arbeitszeiterfassung erfolgt nach dem Vertrauensprinzip. Über ein Zeitkonto werden die Arbeitsstunden der MitarbeiterInnen erfasst, Mehrstunden müssen rasch wieder abgebaut werden.

4. Missbraucht Tools nicht

Digitale Tools sollten niemals als Kontroll- oder Überwachungsinstrumente eingesetzt werden, sondern den Workflow erleichtern.

5. Fördert Frauen in MINT-Bereichen

Mädchen und Frauen für naturwissenschaftliche und technologische Berufe zu interessieren, muss ein wichtiges bildungspolitisches Ziel bleiben. Aufgrund des Fachkräftemangels in diesen Bereichen könnten Unternehmen und Politik es sich nicht leisten, auf 50 Prozent des Potenzials zu verzichten.

6. Denkt Bildung neu

Die Digitalisierung ermöglicht ganz neue Bildungswege, die auch geringqualifizierten Menschen neue Chancen bieten. Microlearning – kleine Lernheiten über Online-Dienste - und Lernformen wie Blended Learning müssen in der Personalentwicklung und von PädagogInnen in deren Agenda aufgenommen werden.

7. Schließt euch gegen das Prekariat zusammen

Die Digitalisierung schafft nicht nur neue Geschäftsmodelle und Jobchancen, oftmals sorgt sie auch für prekäre Arbeitsbedingungen, schlechte Arbeitsverträge und damit für Frust unter den MitarbeiterInnen. Diverse Plattformen wurden von Betroffenen ins Leben gerufen, um dem Einhalt zu gebieten – darüber informiert z.B. Platform Cooperativism. "Diese Plattformen ersetzen aber nicht gewerkschaftliche Interessensvertretungen", mahnte Vollmann.