Blog | Pionierin für's Zu-Fuß-Gehen

14.08.2017
Eine Frau im grauen Pullover steht vor dem Gebäude der Mobilitätsagentur Wien.

"Als ich mich um eine Dissertationsstelle beworben habe, hat mein Professor zu mir gesagt, dass er an einer Hausfrauenanstellung nicht interessiert sei", erzählt Frau Jens.

Auch FußgängerInnen brauchen im öffentlichen Raum eine starke Stimme

Diese gibt ihnen Petra Jens, Beauftragte für FußgängerInnen der Stadt Wien. Sie setzt sich beharrlich für die Anliegen der FußgängerInnen ein und hat damit schon so manche Verbesserung erreicht.

Wofür setzen Sie sich als Fußgängerbeauftrage ein?

Petra Jens: Ein Ziel von mir ist, das Zu-Fuß-Gehen überhaupt als Verkehrsart sichtbar zu machen. Zu-Fuß-Gehen ist zwar die Basis der Mobilität, wird aber in Forschung, Versplanung und Verkehrstechnik zu wenig beachtet. Weltweit gibt es in Städten einen Wandel von der Autozentriertheit hin zu mehr aktiver Mobilität und öffentlichem Verkehr. Ich begleite diesen Kulturwandel und setze mich dafür ein das Zu-Fuß-Gehen in der Öffentlichkeit und Fachwelt sichtbarer zu machen, um konkret Verbesserungen zu erreichen. Auf meine Initiative hin wurden zum Beispiel die öffentlichen Durchgänge erfasst. Öffentliche Durchgänge sind Abkürzungen über Privatgrundstücke, die nur Fußgänger nehmen können. Nur viele wissen davon nichts, selbst in der eigenen Wohnumgebung kennt man sie oft nicht. Unsere Aufgabe war diese Daten zu erfassen, damit sie in Routing-Apps aufgenommen werden können. Wir haben die erste Wiener Fußwegekarte erstellt. Damit sieht man nicht nur diese Durchgänge, sondern auch, wo es besonders ruhige, begrünte Wege, schöne Geschäfte oder öffentliche Toiletten und Stiegenanlagen gibt.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Die Wiener Fußwegekarte, die sehr gut angenommen wird, und die "Wien zu Fuß"-App sind zwei Produkte auf die ich sehr stolz bin, weil sie weltweit etwas Neues sind. Bei der App gibt es drei Funktionen: einen Schrittzähler, ein Routing und ein Schrittekonto, bei dem man jedes Monat Schritte gegen Goodies eintauschen kann. Das sind zum Beispiel Museumstickets oder ein Kaffee.

Welche Fähigkeiten braucht man, um sich durchzusetzen?

Meine Stärke ist, dass ich beharrlich bin und nicht gleich aufgebe, wenn etwas ausweglos erscheint. Wenn ich von einem Thema überzeugt bin, bleibe ich dran, auch wenn es zwei bis drei Jahre dauert. Sich nicht entmutigen zu lassen, ist wesentlich, um Ziele zu erreichen.

Was bedeutet für Sie Erfolg?

Erfolg ist, wenn man gestalten kann.

Was war für Ihren beruflichen Erfolg ausschlaggebend?

Für meine berufliche Entwicklung war wichtig, dass die Universität, an der ich studiert habe, sehr früh gesagt hat, dass sie mich nicht braucht. Ich habe während dem Studium zwei Kinder bekommen und mein drittes direkt nach dem Studium. Als ich mich um eine Dissertationsstelle beworben habe, hat mein Professor zu mir gesagt, dass er an einer Hausfrauenanstellung nicht interessiert sei. Das hat mich sehr getroffen. Andererseits hat es mir sehr bei meiner beruflichen Orientierung geholfen. Ich wollte immer forschen und so die Welt ein bisschen verbessern. In meinem letzten Karenzjahr habe ich eine Bürgerinitiative zum Thema Hundekot im öffentlichen Raum gegründet, die mit fast 160.000 Unterschriften eine der größten Bürgerinitiativen in Österreich geworden ist. Ganz wesentlich für meine Erfolge war die Unterstützung meiner Familie. Sonst hätte ich neben drei Kindern sicher nicht diesen Weg gehen können. Meine familiäre Unterstützung war mit vier Großeltern fast luxuriös.

Würden Sie sich von der Gesellschaft wünschen, dass die Kinderbetreuung mehr abgenommen wird?

Ich finde, dass die Forderung nach Kinderbetreuung zu kurz greift, weil Kinder auch krank werden und da nützt kein 24-Stunden Kindergarten. Kinder brauchen Familie und Familien brauchen Zeit. Ich würde mir wünschen, dass die politischen Weichen so gestellt werden, dass eine Familie mit zwei Teilzeitjobs gut über die Runden kommt. Es ist nicht gut, wenn nur ein Partner seine Karriere verfolgt und der andere jahrelang weg vom Berufsleben ist. Man muss es schaffen, mehr qualifizierte Teilzeitjobs zu schaffen. Es muss für Eltern einfacher werden, 20 oder 30 Stunden zu arbeiten.