Blog | Netzwerke, Strategie und Kinderbetreuung

24.08.2017
Eine Frau mittleren Alters in einem schwarzen Anzug lächelt in die Kamera.

"Jede Frau soll selbst entscheiden können, in welchem Ausmaß sie berufstätig ist, wie sie ihre Familie gestaltet, wie sie leben und wie unabhängig sie sein möchte", sagt Frau Wiesflecker.

Als Landesrätin in Vorarlberg setzt sich Katharina Wiesflecker (Die Grünen) für die Bereiche Soziales, Frauen, Pflege, Kinder- und Jugendhilfe und Kleinkindbetreuung ein.

Das Querschnittsthema Frauenpolitik betrachtet sie pragmatisch und spricht sich für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen aus. Im Interview erzählt Landesrätin Katharina Wiesflecker über Rahmenbedingungen, die Frauen für beruflichen Erfolg brauchen, und wo es noch hapert.

Wie geht es Frauen in Vorarlberg?

Katharina Wiesflecker: Die Lebensbedingungen für Frauen in Vorarlberg sind gut, aber auch sehr unterschiedlich. Alleinerziehende Frauen oder auch Familien mit mehreren Kindern sind verstärkt armutsgefährdet. Da sind gute Rahmenbedingungen, wie Kinderbetreuung, direkte Unterstützung der Frauen beim Wiedereinstieg und soziale Netze wie etwa die Unterstützung über die Kinder- und Jugendhilfe und soziale Absicherung wie etwa die Mindestsicherung, zu garantieren. Das sind unsere Herausforderungen.

Welche Barrieren gibt es in der Politik für Frauen?

In der Politik traut man Frauen das Geschäft oft nicht zu. Strategische Kompetenzen werden Frauen weniger zugeschrieben. Man sagt oft auch, das sei ein zu hartes Geschäft, das sei nichts für Frauen. Aber im Wesentlichen geht es, wie in vielen anderen Bereichen auch, in der Politik um Macht und Einfluss und Gestaltung. In der Umsetzung sieht man, dass Frauen sehr wohl die nötigen Fähigkeiten für die politische Arbeit mitbringen und zudem noch andere Fähigkeiten. Auch in der Politik bewähren sich diverse Teams, wo unterschiedliche Zugänge und Lösungsansätze da sind, damit Aufgaben in der Zukunft und Gegenwart besser bewältigt werden können. Meine praktische Erfahrung ist, wo immer in Gruppen die Frauenperspektive eingebracht wird, es den Fokus von Diskussionen erweitert. Oft, wenn Entscheidungsträger zusammen sitzen, ist man als Frau in der Minderheit oder auch einmal alleine.

Was war für Ihren persönlichen Erfolg ausschlaggebend?

Auch für mich gilt, dass es bestimmte Rahmenbedingungen braucht, damit man überhaupt politisch tätig sein kann. Mein Partner hat einen großen Teil der Familienarbeit übernommen. Als ich frisch in den Landtag gekommen bin, habe ich ein Kind bekommen. Hätte ich damals die Unterstützung meines Mannes nicht gehabt, der den Großteil der Karenzzeit und in Folge viel Familienarbeit übernommen hat, hätte ich die politische Arbeit nicht weiterführen können. Natürlich war auch strukturelle Unterstützung, wie Kleinkindbetreuung und ein Kindergarten mit Mittagstisch, wichtig. Inzwischen ist meine Tochter 13 Jahre alt und geht nach der Schule in die Nachmittagsbetreuung.

Natürlich gibt es auch persönliche Komponenten. Die berufsbegleitende Ausbildung in Supervision und Organisationsberatung hat mir persönlich sehr viel gebracht. Ich habe gelernt stärker zu reflektieren und systemisch zu denken. Persönliche Eigenschaften, wie soziale und emotionale Kompetenzen, Strategie- und Kommunikationsfähigkeit, auch authentisch und reflektiert zu sein, sind in der Politik wichtig.

Welche Rahmenbedingungen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind für Frauen in Vorarlberg wichtig?

In Vorarlberg gibt es nach wie vor Nachholbedarf bei der Kleinkindbetreuung. Es ist mir in meiner 2,5 jährigen Tätigkeit als Landesrätin gut gelungen gemeinsam mit den Gemeinden den Ausbau tatkräftig voranzutreiben. Wir setzen zudem auf attraktive Tarife, damit für Familien mit wenig Geld auch ein Zugang geschaffen wird. Die Qualitätssicherung ist mir dabei ein besonderes Anliegen. Es geht weit über die Kleinkindbetreuung hinaus. Bei der Mittagsbetreuung und den Sommerschließzeiten in Kindergärten ist mit Sicherheit auch noch einiges zu tun. Im Pflichtschulalter sind dann die Nachmittagsbetreuung, Mittagstische auch die Ganztagsschule Themen. Familienarbeit und Unterstützung in der Pflege von Angehörigen sind nicht nur Aufgaben der Frauen.

Wie sieht selbstbestimme Frauenpolitik aus? Was braucht für ein selbstbestimmtes Frauenleben?

Selbstbestimmung ist ein ganz wesentlicher Teil der Frauenpolitik. Jede Frau soll selbst entscheiden können, in welchem Ausmaß sie berufstätig ist, wie sie ihre Familie gestaltet, wie sie leben und wie unabhängig sie sein möchte. Die Selbstbestimmung einer einzelnen Frau ist ein wichtiger frauenpolitischer Teil. Aber selbstbestimmte Frauenpolitik hat für mich neben der individuellen Betrachtung auch einen Reflexionsanteil dabei. Bei einer Teilzeitbeschäftigung muss man sich vorher überlegen, welche Konsequenzen das für die Absicherung im Alter hat. Das ist ein wichtiger Teil der selbstbestimmten Frauenpolitik.

Was ist für den Erfolg von Frauen wichtig?

Vernetzung ist ein wichtiges Thema. Ich habe den Eindruck, dass Frauen nach wie vor weniger Netzwerken als Männer. Kontakte richtig zu nützen ist sehr wichtig, auch einfach einmal anzurufen, nachzufragen, sich weiterhelfen zu lassen und im Gegenzug andere zu unterstützen. Auch strategisch zu denken ist essentiell. Man muss sich überlegen, was es braucht, um Ziele zu erreichen, und welche Bündnispartner wichtig sind. Netzwerkarbeit und Strategie sind durchaus Dinge, wo wir als Frauen noch Potential hätten.