Blog | Digitalisierung, Mobilität und Arbeitswelt

07.05.2017
Manuela Vollmann, Anna Steiger, Gabriele Domschitz und Reinhard Birke stehen vor Roll-ups von ABZ*AUSTRIA und den Wiener Stadtwerken.

b2b:dialog mit Manuela Vollmann, ABZ*AUSTRIA, Anna Steiger, TU Wien, Gabriele Domschitz, Wiener Stadtwerke Holding AG und Reinhard Birke, upstream next level mobility (v. li.)

Digitalisierung - was bringt sie für die Arbeitswelt insbesondere für die Frauen? Darüber diskutierten ExpertInnen beim b2b:dialog@ABZ*AUSTRIA

Wirtschaftsthemen diskutieren, best practice Beispiele aufzeigen und die Vernetzung fördern: Das sind die Ziele des Formats b2b:dialog @ ABZ*AUSTRIA. Beim vierten Talk gastierte ABZ*AUSTRIA bei der Wiener Stadtwerke Holding AG in Wien-Landstraße.

Gabriele Domschitz, Vorstandsdirektorin Wiener Stadtwerke Holding AG begrüßte gemeinsam mit ABZ*AUSTRIA Geschäftsführerin Manuela Vollmann die Gäste, vorwiegend aus dem HR- und Bildungsbereich. Das Thema des Donnerstagvormittags war Digitalisierung: einerseits die digitale Ausrichtung der Wiener Stadtwerke und andererseits die Folgen des digitalen Wandels für die Arbeitswelt und besonders für die Frauen.

Gabriele Domschitz präsentiert ihre PowerPoint. Das Publikum hört interessiert zu.

Gabriele Domschitz, Vorstandsdirektorin Wiener Stadtwerke Holding AG

Frauen und technische Berufe

Gabriele Domschitz skizzierte das Wirken der Wiener Stadtwerke Holding: es sei ein Vorteil zu 100 Prozent Eigentum der Stadt Wien zu sein, investiere 800 Millionen Euro pro Jahr und betreibe eine schonende Restrukturierung ohne Hire-and-Fire-Politik, da es immer die Bemühungen gibt, Mitarbeiter*innen anderweitig im Konzern einzusetzen, wenn ein Arbeitsplatz verloren geht. Gleichzeitig gibt es viele Herausforderungen, "denen wir uns jetzt und in Zukunft stellen müssen." So wächst z.B. Wien mit gewissen Schwankungen um ca. 30.000 Personen im Jahr, dies hat natürlich Auswirkungen auf die Anforderungen für die Infrastruktur speziell im Energie- und Verkehrsbereich.

Eine weitere Herausforderung sei es für ausreichend Bewerbungen von Frauen für techniklastige Jobs zu bekommen, egal ob für eine Lehrstelle oder Führungsposition gesucht wird. Für eine Geschäftsführungsposition habe man etwa lange europaweit nach einer Frau gesucht, aber keine gefunden. Dem versucht man mit verschiedenen Aktionen entgegenzuwirken. Seit kurzem gebe es ein Mentoringprogramm für weibliche High Potentials: "Mit einem Frauenanteil von 18 Prozent bewegen wir uns immer noch im Durchschnitt, wir haben daher einige Maßnahmen gestartet, um Frauen besser zu vernetzen und Frauen und Mädchen für unsere Berufe zu interessieren", wie etwa den Töchtertag, zu dem auch Freundinnen der Töchter und Verwandte eingeladen seien. Wichtig dabei ist, dass die Mädchen nicht nur den Konzern kennen lernen können, in dem die Eltern tätig sind, sondern auch andere Konzernunternehmen, damit auch der Austausch gewährleistet ist. Außerdem wird zweimal im Jahr ein Netzwerktreffen für weibliche Führungskräfte angeboten. "Wir stellen Frauen vor, die eine Führungsposition haben. Sie erzählen wie ihr Alltag aussieht und über ihre berufliche Laufbahn", berichtet Domschitz. Viele weibliche Angestellte besuchen auch das einmal im Jahr stattfindende Frauenfest zum Kennenlernen und Vernetzen.

Reinhard Birke spricht vor dem Publikum. Er trägt ein schwarzes Sakko. Hinter ihm befinden sich zwei Roll-ups.

Reinhard Birke, Geschäftsführer von 'Upstream – next level mobility'/Wiener Stadtwerke Holding AG

Frauen als Kundinnen

Auch bei digitalen Produkten achten die Wiener Stadtwerke auf weiblichen Bedarf: Für die Weiterentwicklung der Wien-mobil/Quando-App wurde das Mobilitätsverhalten von Frauen und Männern untersucht. Man erhielt viel mehr Daten von Männern als von Frauen, obwohl Frauen bei der Öffi-Nutzung vorne liegen. Daher wurde besonderes Augenmerk auf die vorhandenen Daten der Frauen gelegt, um ihren Bedürfnissen bei der App-Entwicklung gerecht zu werden. Das führte Reinhard Birke, Geschäftsführer der konzerninternen Start-up-Tochter "upstream - next level mobility" aus, das die digitalen Services der Wiener Stadtwerke entwickelt und vorantreibt.

Manuela Vollmann strich hervor, wie wichtig diese Art von Bürgerinnenbeteiligung sei. Hinsichtlich der Digitalisierung meinte sie: "Es kommen massive Herausforderungen auf uns zu, die noch viel zu wenig ganzheitlich diskutiert werden. Es geht um ein gesamtes Umdenken von Arbeitsorganisation und nicht nur um Apps und Geschäftsmodelle." Ihre Hypothese: Frauen hätten sich bisher mit althergebrachten Strukturen - steile Hierarchien, Aufstieg, Vollzeit-Karrieren - wenig angesprochen gefühlt, eine Flexibilisierung in der neuen Arbeitswelt sei daher eine neue Chance für Frauen, sich zu positionieren.

Anna Steiger steht an einem Rednerpult und spricht. Sie trägt eine schwarze Brille.

Anna Steiger, Vizerektorin für Personal & Gender Technische Universität Wien

Frauen und die Digitalisierung

Anna Steiger, als Vizerektorin der Technischen Universität Wien für Personal und Gender zuständig, ging auf die Bedeutung der Digitalisierung für Frauen ein. 2016 hatte sie mit der Gleichstellungsbeauftragten der ÖBB,Traude Kogoj, ein Paper zu dem Thema verfasst. Ihr Fazit: Es gibt kaum Forschungsdaten zum Thema. Die vierte industrielle Revolution werde aber schon wie die Revolutionen davor Chancen für Frauen im Arbeitsleben bieten. Man müsse das nun als Chance nutzen und feministische Forderungen stellen. Die Frage sei: "Welche Jobs werden neu geschaffen, welche werden verschwinden?" Das Weltwirtschaftsforum rechnet mit dem Wegfall von 5 Millionen Jobs bis 2020 in westlichen Industrieländern und 2 Millionen neu geschaffenen. Stark gefährdet seien Jobs in Verwaltung und Transportwesen. Wenn man den Wandel in der Arbeitswelt und die Roboterisierung sozial gestalte, könnten sich die Menschen künftig besser auf ihre sozialen und kreativen Fähigkeiten, auf Freizeit, Auszeit und Weiterbildung konzentrieren - ein Vorteil für die Work-Life-Balance. Gesucht würden künftig vor allem Ingenieurinnen und IT-Fachkräfte, der Haken an der Sache sei: "In diesen Sektoren sind immer noch Männer deutlich überrepräsentiert."

"Bei jeder industriellen Revolution kamen Befürchtungen auf, dass Jobs verlorengehen. Frauen müssen sich jetzt stärker einmischen."
Anna Steiger

Frau Steiger ist zuversichtlich, dass aufgrund höherer Erwerbsquoten und besserer Qualifizierung von Frauen, die industrielle Revolution 4.0 von Frauen besser genützt werden kann als alle anderen davor.

Auch wenn der Frauenanteil unter den Informatik-Studierenden in den vergangenen Jahren an der TU Wien stark auf 19 Prozent angestiegen sei, sei das immer noch zu wenig. "Wir müssen hier schon in den Kindergärten ansetzen, an der Universität ist das zu spät", so Steiger.

Frauen müssten zudem mehr fordern, nämlich:

  • eine geschlechtsspezifische Datenaufbereitung zu Arbeitsmarkt und Digitalisierung
  • Präventivmaßnahmen an Kindergärten und Schulen, um Mädchen nachhaltig für technische Berufe zu begeistern
  • Neudefinition für den Bereich Engineering an Universitäten, damit Frauen sich angesprochen fühlen

"Bei jeder industriellen Revolution kamen Befürchtungen auf, dass Jobs verlorengehen. Frauen müssen sich jetzt stärker einmischen und mehr fordern", so Anna Steiger. Nach ihrem Vortrag diskutierten die Teilnehmer*innen darüber und tauschten sich beim Brunchbuffet weiter aus.

Für alle Interessierten, die diesmal nicht dabei sein konnten, stellen wir gerne die gesamte Veranstaltung als Video zur Verfügung: