Blog | Neue Perspektiven schaffen

23.06.2017
Lydia Ninz lächelt in die Kamera. Sie steht vor einem Türschild: "Presseclub Concordia - Ajour"

Lydia Ninz: "Die Zeitungen sparen am falschen Fleck, nämlich bei den Journalistinnen und Journalisten, und schmeißen damit das weg, wofür sie eigentlich da sind – fundierte, gutgemachte Geschichten"

Das Business in Journalismus und PR ist hart. Mit Ajour (Arbeit für Journalist*innen) gibt es nun eine Initiative, die sich um Arbeitslose und Arbeitssuchende in dieser Berufssparte kümmert.

Die Geschäftsführerin Lydia Ninz leitet den Verein, der von vier Organisationen - dem Presseclub Concordia, der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer und dem Herausgeberverband - gegründet wurde. Der Verein möchte Journalist*innen dabei helfen, neue Perspektiven in ihrem Berufsfeld, in der PR, als Selbständige/r oder durch eine komplette Umorientierung zu finden. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet ajour – finanziert und gefördert durch das AMS – mit selbstständigen Coaches, die an der individuellen Lebenssituation der Betroffenen ansetzen.

Welche Rahmenbedingungen brauchen Journalist*innen heute, um erfolgreich zu sein? Welche Stolpersteine gibt es in der Branche?

Lydia Ninz: Als erstes muss sichergestellt werden, dass Journalistinnen und Journalisten in Zukunft ordentlich verdienen. Es nutzen die schönsten Worte nichts, wenn in der Praxis die Menschen in diesem Beruf am Hungertuch nagen müssen, teilweise überhaupt nichts mehr verdienen oder nicht angemessen an dem, was sie an Ausbildung und Können mitbringen. Die nächste Voraussetzung ist genug Zeit und ausreichend Ressourcen in den Redaktionen zu haben, um recherchieren zu können. Gerade in Zeiten von Fake News ist es die höchste Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten so nahe wie möglich an die Wahrheit zu kommen. Die Zeitungen sparen am falschen Fleck, nämlich bei den Journalistinnen und Journalisten, und schmeißen damit das weg, wofür sie eigentlich da sind – fundierte, gutgemachte Geschichten.

Wie müsste sich die Medienwelt verändern, um gute Rahmenbedingungen für Journalist*innen zu schaffen?

Das ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Wir haben in einer Gesellschaft ein echtes Problem, wenn niemand mehr weiß, was richtig und falsch ist, das letztlich unseren Frieden gefährdet. Daher ist es ganz wichtig in Dialog zu treten, Journalistinnen und Journalisten die Zeit zu geben investigativ zu arbeiten, sodass wir gewisse Fakten haben, die außer Frage stehen. Die Zeitungen befinden sich in einer disruptiven Entwicklung. Das alte Geschäftsmodell, bei dem man von den Einnahmen der Zeitung und Werbeeinnahmen leben konnte, funktioniert nicht mehr und die neuen Geschäftsmodelle sind noch nicht ausgereift. Das ist auch eine Folge der Digitalisierung. Überregionale Zeitungen sind davon stärker betroffen als regional fundierte. Früher wurden online Inhalte oft verschenkt. Jetzt geht man da ein bisschen zurück und versucht zumindest besonders gute Inhalte zu verkaufen. Der digitale Journalismus erweitert das Spektrum. Bei ajour sehen wir, dass gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten in den herkömmlichen Strukturen keinen Unterschlupf mehr finden. Es braucht massive Ausbildungsangebote, damit sie in die neuen Herausforderungen hineinwachsen. Als Journalist*in muss man sich weiterentwickeln, wenn man sieht, dass die Welt sich wandelt.

Was raten Sie jungen Journalist*innen?

In Österreich wachsen die Medien nicht in den Himmel und mit der deutschen Sprache sind gewisse Grenzen nach außen gesetzt. Man muss sich klar darüber sein, dass man kein leichtes Spiel hat, wenn man sich für diese Berufsgruppe entscheidet. Man kommt nicht leicht unter und muss sehr offen sein. Aber in jedem Aufbruch stecken auch neue Chancen, wenn man bereit ist, etwas zu machen, was andere nicht können oder wollen.

Was hat Sie bewegt aus der Pension zurückzukommen und die Leitung von ajour zu übernehmen?

Ich kenne einerseits den Journalismus gut, da ich 23 Jahre Wirtschaftsjournalistin war. Andererseits habe ich auch in der Öffentlichkeitsarbeit gearbeitet und eine GmbH mit 800 Mitarbeitern geführt. Ich weiß, was man bei einer Geschäftsführung beachten muss und kenne beide Seiten von Journalismus und PR. Mich motiviert, dass ich mein ganzes Leben Journalistin mit Leib und Seele war. Ich wollte noch etwas Sinnvolles beitragen. Dazu kommt, dass ich in meinem Leben auch Brüche erlebt habe. Ich war selbst schon arbeitslos und weiß ganz genau, wie es ist, in der Mitte des Lebens zu stehen und nach 23 Jahren im Journalismus plötzlich nichts mehr geht und du, das was du geliebt hast und wofür du brennst, nicht mehr tun kannst. Aber ich weiß auch, dass es ein Danach gibt, dass sich wirklich eine Tür öffnet, wenn sich eine andere schließt. Bei mir ist es gutgegangen, aber es gab auch starke Krisenmomente. Mit ajour können wir Menschen, die gerade an einem Scheideweg stehen, sinnvoll helfen, sodass der Prozess schneller, effizienter und weniger schmerzhaft ist.