Blog | Feminismus Reloaded

28.02.2017
Oranges Sujet, mittig auf weißem Hintergrund ein schwarzer Stiefel, daneben Schriftzug 'Wir fordern die Hälfte der Welt'

Feminismus Reloaded - "Wir fordern die Hälfte der Welt"

Die neuen Feminist*innen sind manchmal laut, manchmal leise, oft anprangernd, immer öfter auch verbindend. Und sie sind auch Männer.

Der starke Mann ist wieder en vogue. Er lächelt breit von Plakaten, klopft markige Sprüche, reißt sexistische Witzchen und unterzeichnet Gesetze, die aus den 1950ern stammen könnten.

Mit dem Backlash der rechtskonservativen Regierungen regt sich feministischer Widerstand. Und er tut es vornehmlich über das Internet. Der Women`s March gegen die Politik von US-Präsident Trump am 21. Januar wurde über Facebook geleitet, acht renommierte Feministinnen riefen im Guardian am heutigen Internationalen Frauentag zum weltweiten Streik auf, auch in Österreich gehen heute Frauen für ihre Rechte auf die Straße.

Feminismus hat nicht ausgedient. Immer noch wird er zum Wurmfortsatz des 20. Jahrhunderts degradiert. Das ist viel zu kurz gegriffen. In den 1970ern propagierten Feministinnen ihr Recht auf ihren Körper, auf ihre Sexualität. Das gilt auch heute, wenn abortion bans umgesetzt werden, wenn Frauen als Schlampen beschimpft werden (#slutshaming) und Männer meinen, Frauen die Welt erklären zu müssen (#mansplaining). Die Third-Wave-Bewegung des Feminismus ist seit den 1990ern aktionistisch zugange: Sie macht Performances, künstlerische Aktionen und parodisiert patriarchale Protagonisten. Dazu gehören die Punkband PussyRiot, die Slutwalks, die Bewegungen One Billion Rising und Femen. Und mehr denn je nutzen diese Bewegungen Social-Media-Netzwerke und Blogs.

Feminismus im Netz erstreckt sich von weltweiten Bewegungen über regionale Facebookgruppen wie "Frauen gegen Hofer" bis zur provokanten Selbstdarstellung von YouTuberin Suzie Grime, die mit Artikeln wie "Warum meine Brust-OP und Feminismus kein Widerspruch sind" und ihrer YouTube-Serie "Hashtag Männerhass" für Hasspostings und YouTube-Verrisse sorgt. Ein paar Klicks weiter posiert It-Girl Kim Kardashian in sexy Selfie-Vermarktung und schreibt davon, dass ihr Frauenrechte zwar total wichtig seien, sie aber deswegen nicht als Feministin schubladisiert werden will. Die Facetten des Feminismus sind bunt: mal radikal, mal platt, mal inklusiv, mal narzisstisch und manchmal einfach widersprüchlich.

Symbol für Frau bestehend aus einem Kreis mit Kreuz darunter in Regenbogenfarben

Feminismus Reloaded - "Wir fordern die Hälfte der Welt"

Netz und Birkenstock

Der Feminismus hat aber auch ein Imageproblem. Vor allem bei den Jungen. Auch Bloggerin Ronja von Rönne, Angehörige der Generation Y, also der 1980- bis 1999-Geborenen, will keine Feministin sein. Den Netzfeminismus sieht sie als "die etwas gestörte Tochter" des Birkenstockfeminismus (siehe hier). Sie nimmt sich lieber egoistisch, was sie will, als sich einer ihres Erachtens nach jammerigen Bewegung mit Legitimationsproblem anzuschließen. Das geht vermutlich solange gut, bis sie sich den Kopf doch an der Gläsernen Decke stößt. Deklarierte Nicht-Feministinnen wie Ronja von Rönne oder Kim Kardashian zeigen nicht, dass Feminismus unnötig ist, sondern dass zu viel Individualismus uns allen schadet. Denn wo jeder nur mehr sich selbst der oder die Nächste ist, bröckelt die Gesellschaft auseinander wie ausgetrocknetes Mauerwerk.

Wo Ronja von Rönne sicher recht hat: Die Opferrolle kommt bei den jungen Menschen nicht mehr gut an. Sie ist zu uncool für viele, die in den Wohlstandsneunzigern und -Nullerjahren aufgewachsen sind.

Junge Frauen wollen sich nicht als Opfer sehen, auch wenn sie strukturell gesehen noch im Nachteil sind. Doch Frauen, die sagen, es reicht, sind auch gar keine Opfer mehr. Frauen, die sagen, wir bestehen darauf, genausoviel zu verdienen wie unsere Kollegen, wie Hollywoodstar Natalie Portman es getan hat, sind keine Opfer mehr. Sie erheben sich. Ähnlich wie Ronja von Rönne, aber mit dem Unterschied: Sie tun es nicht nur für sich, sondern auch für andere. Die sich vielleicht nicht so stark und selbstbewusst fühlen. Die vielleicht nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind. Die lieber nichts fordern. Diese Art der Solidarität hat in den Hoch-Zeiten des Individualismus und des Egoman*innentums eben nicht ausgedient.

Wo es noch Nachholbedarf gibt, lesen Sie zurzeit in diversen Medien. Die Gehaltsschere geht immer noch auseinander: Auch bei gleichem Job und gleicher Position verdienen Frauen um mindestens 15 Prozent weniger als Männer. Unter den Geschäftsführungen der Top 200 Unternehmen in Österreich im Jahr 2017 liegt der Frauenanteil bei 7,2%. Von den Aufsichtsratsmitgliedern sind 18,1% weiblich.

Ja, im Kern fordert der Netzfeminismus noch immer dieselben Dinge wie die 1970er-Bewegung, wie von Rönne kritisiert. Aber das liegt daran, dass diese Forderungen immer noch nicht hinreichend umgesetzt wurden. Der einzige Unterschied: Heute hat der Feminismus einen Twitter-Account, macht Selfies und Youtube-Videos und ist stolz darauf. Ist das schlecht? Nein. Denn er schafft wieder Bewusstsein, macht wieder auf Missstände aufmerksam und fordert in der Regel das, was für alle gut ist: ein Leben in (Wahl-)freiheit und Würde.

Mit den Männern

Zwei Menschen sitzen in einer Halle auf einer Wartebank. Man sieht nur die Füße und den Unterkörper. Ein Mann trägt rote "Waltviertler" und die Dame rechts schwarze Pumps. Beide lesen.

Feminismus Reloaded - "Wir fordern die Hälfte der Welt"

Der Feminismus, wie wir ihn verstehen, ist nicht gegen die Männer, er inkludiert sie. Er will auch für sie Wahlfreiheit. Er will auch für sie, dass sie ihre Arbeitszeit einteilen und für ihre Familien da sein können. Er will auch für Väter, Söhne und Partner Rechte. Aber: Er will, dass Frauen diese Rechte eben auch haben dürfen. Dass nicht gelangweilt weggesehen wird, wo diese Rechte noch immer nicht Realität sind. Umso wichtiger ist die Solidarität der Männer. Die US-Bewegung National Organization For Men Against Sexism sieht sich als logischer Kooperationspartner des Feminismus, seien Männer doch auch für die Unterdrückung der Frauen verantwortlich. Ähnlich sieht es auch der in Wien ansässige Blogger Silvano Marco, der sich als Feminist bezeichnet.

Wir finden, es braucht mehr solcher mutiger Männer.

Der Motor des Feminismus, wie wir ihn verstehen, ist nicht Männerhass und sein Ziel auch nicht die Bevorzugung von Frauen. Das Ziel ist Gleichstellung der Geschlechter und ein Miteinander zum Wohle aller. Wir von ABZ*AUSTRIA sehen es als unsere Aufgabe, die Chancen für Frauen in der Gesellschaft und im Arbeitsleben zu erhöhen, damit sie ein Leben in Selbstbestimmung führen können. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft. Wir wollen einen Feminismus, der nicht bei Schuldzuweisungen endet, sondern bei Taten. Bei politischen Veränderungen ebenso wie bei individuellem Empowerment. Ein Feminismus, der kollaboriert und inkludiert – Frauen wie Männer.

Alle Mitarbeiter*innen und Geschftsführer*innen des ABZ*AUSTRIA stehen in einer Gruppe in einem Raum. Die Frauen lächeln und zeigen "thumbs up" in die Kamera, mit der sie von oben aufgenommen werden.

Team ABZ*AUSTRIA

*innen steht für Männer und Frauen.