Blog | Eine Klasse für sich

19.09.2017
Gruppenbild: Student*innen des Mechatronik-Kolleg der HTL Hollabrunn

Der Klassenverband des Aufbaulehrgangs: Student*innen des Mechatronik-Kolleg der HTL Hollabrunn

Ingenieurinnen sind gefragt: Im Mechatronik-Kolleg der HTL Hollabrunn bereiten sich sechs Frauen auf ihre technische Karriere vor.

Das zweite Semester endete mit einem Preis. Den bekamen die sechs Teilnehmerinnen des Mechatronik-Kollegs an der HTL Hollabrunn für den besten Notendurchschnitt ihres Jahrgangs überreicht. Sechs Frauen, die früher etwas ganz anderes gemacht haben, die schon viele Jahre weg von der Schulbank waren, haben eine gänzlich neue Laufbahn im Zukunftsberuf Mechatroniker*in eingeschlagen. Möglich wurde das durch das Programm "Frauen in die Technik" (FiT), das ABZ*AUSTRIA im Auftrag mit dem Arbeitsmarktservice (AMS) Niederösterreich abwickelt. Die Frauen schließen nach vier Semestern mit dem Titel "Ingenieurin" und der HTL-Matura ab.

Irina Mayerhofer etwa hat in ihrer Heimat Kasachstan Lehramt für Deutsch und Englisch studiert. In Wien studierte sie Dolmetsch, arbeitete einige Jahre lang als Technische Übersetzerin. "Technik hat mir immer schon gefallen, mir hat aber die Tiefe dazu gefehlt", erzählt sie. Das möchte sie mit ihrer Teilnahme am Mechatronik-Kolleg nun ändern. Das erste Jahr hat sie erfolgreich überstanden. Mayerhofer ist wie die anderen fünf FiT-Teilnehmerinnen im Klassenverband des Aufbaulehrgangs eingegliedert – vornehmlich sind das junge Burschen um die 20, die gerade eine Technische Fachschule oder eine Lehre abgeschlossen haben und nun einen HTL-Abschluss anstreben. "Meine Tochter ist 19, das ist also schon eine andere Generation", lacht die 46-Jährige.

HTL-Direktor Wolfgang Bodei setzt seit rund fünf Jahren auf das FiT-Programm. Für ihn ist es eine Win-Win-Situation. Mit den FiT-Teilnehmerinnen wurde die Höchstzahl einer Klasse überschritten und er konnte eine zweite Klasse im Jahrgang eröffnen. "Wir hatten bisher stets sehr engagierte, lernbereite Frauen", erzählt er. Schwierigkeiten zwischen den Generationen oder den Geschlechtern gebe es nicht. "Mein Eindruck ist, dass sie sich in der Klasse wohlfühlen, es haben sich auch Lerngemeinschaften gebildet", erzählt Bodei. Auch Irina Mayerhofer bestätigt: "Die jüngeren Kollegen helfen uns, wenn wir eine Frage haben. Der Unterricht ist schon sehr anspruchsvoll."

Bestens vorbereitet

Die Frauen, die innerhalb von zwei Jahren in Vollzeit eine HTL-Matura absolvieren, haben oft nur geringe technische Vorkenntnisse. Sie waren etwa Verkäuferinnen, Friseurinnen, Kindergärtnerinnen. Alle hatten als Eingangsvoraussetzung eine Matura. "Umso wichtiger war es, dass die Frauen bei ABZ*AUSTRIA ihre Basiskenntnisse auffrischen konnten", sagt Bodei. In den Sommermonaten haben die Frauen vor Schulstart nämlich 12 Wochen Vorbereitung bei den Trainerinnen von ABZ*AUSTRIA erhalten. Neben Berufsorientierung, Klärungsphase und ersten Praktika in Werkstätten gibt es im Zuge des FiT-Programms auch Auffrischungsmodule zu den Basisqualifikationen Mathematik, Naturwissenschaften, Englisch oder Deutsch. "Der Mathematik-Unterricht hat mir sehr geholfen, etwa die Sinus-Cosinusfunktionen für das Verständnis der Mechanik", bestätigt Christina Mayer, die auch das Kolleg besucht. Sie hat 1982 nach ihrer Matura eine Lehre als Nachrichtenelektronikerin bei Siemens begonnen. "Damals war beides überhaupt nicht üblich, weder eine Lehre nach der Matura, noch, als Frau in die Technik zu gehen", erzählt sie. Dann bekam sie Kinder und blieb zuhause. Als ihr jüngstes Kind zehn wurde, beschloss sie, einen Job zu suchen, "am besten als Löterin, das hat mir so gut gefallen." Laut AMS gab es den Beruf aber nicht mehr, daher entschloss sie sich für das FiT-Programm bei ABZ*AUSTRIA. Nach einem vierwöchigen Praktikum in einer kleinen Werkstätte wusste sie, dass sie sich auf Mechatronik – die Verbindung von Mechanik, Elektrotechnik und Informatik – spezialisieren wollte. Dafür hat sie sich entschieden, weil die HTL nahe ihrem Wohnort liegt, "und weil Mechatronik im Aufwind ist. Die ganze Arbeitswelt ist schließlich mit Technik durchdrungen", sagt die 53-Jährige. Der Unterricht sei anspruchsvoll, aber schaffbar: "Ab sofort haben wir vier Stunden Werkstätte und Labor pro Woche", freut sie sich.

Beste Aussichten

Die Frauen werden das Kolleg im Sommer 2018 mit einer HTL-Diplomprüfung abschließen. Irina Mayerhofer hat nach ihrem ersten Pflichtpraktikum bereits einen Job nach ihrem HTL-Abschluss in Aussicht. Während ihres zweiten Pflichtpraktikums will sie in jener Abteilung vertiefend arbeiten. "Ich bin sehr glücklich, dass es das FiT-Programm gibt", sagt sie. HTL-Direktor Wolfgang Bodei verweist auf die eigene Jobbörse der HTL-Webseite. "Viele unserer Schüler*innen bekommen schon vor dem Abschluss Jobangebote." Auch Christina Mayer hofft, nach der HTL-Matura einen Job zu finden. Die Chancen stehen bestens.

INFO: ABZ*AUSTRIA bietet im Rahmen des FiT-Programms Beratung, Berufsorientierung, Basisqualifizierung und technische Vorqualifizierung sowie die Vermittlung von Praktika in Unternehmen. Wählen die Teilnehmerinnen eine Aus- oder Weiterbildung, erhalten sie während dieser Zeit eine finanzielle Förderung des AMS (in Höhe des Arbeitslosengeldes bzw. Deckung der Lebenshaltungskosten). Von ABZ*AUSTRIA werden sie parallel weiterbetreut, um einen erfolgreichen Bildungsabschluss zu gewährleisten. ABZ*AUSTRIA unterstützt auch mit Betriebskontakterinnen bei Jobsuche und in der Bewerbungsphase.